Ihre Äusserungen im Ständerat vom Montag, 3.Juni 2024, betr. Mitschuld der Ukraine am derzeitigen Krieg
Gestatten Sie mir, dass ich nachfolgend in titelbezogener Angelegenheit wie folgt Stellung nehme:
Ihre absolut inakzeptablen und zum Teil haarsträubenden, absolut nicht nachvollziehbaren Äusserungen, mit welcher Sie anlässlich der Sitzung des Ständerats vom 3.Juni 24 versuchten, der Ukraine und der NATO eine Mitschuld am bereits über zwei Jahre dauernden Krieg zu unterschieben, dürfen nicht unwidersprochen hingenommen werden.
Leider muss ich Ihren Voten entnehmen, dass Sie möglichweise der sehr aktiven russischen Propaganda erlegen sind, anders lassen sich Ihre nachgerade unbedachten, die wirkliche Vorgeschichte fast völlig ausblendend oder einseitig zu Gunsten Putins darstellend, nicht zu erklären.
Zur Vorgeschichte gehört, und ich zitiere aus dem Buch «WELT IN GEFAHR» von Dr.h.c. Wolfgang Ischinger, dem Vorsitzenden der Münchner Sicherheitskonferenz von 2008 – 2020, folgende Fakten, von denen Sie ganz offensichtlich kein Wissen und keine Kenntnisse besitzen, nämlich, dass Putin bislang 6 internationale Verträge gebrochen hat:
- Verletzung der Grundsätze der KSZE-Schlussakte von 1975 in Helsinki, in denen sich die Staaten (auch Russland) zur Unverletzlichkeit der Grenzen und zur friedlichen Regelung von Streitfällen verpflichtet haben.
- Das Budapester Memorandum von 1994, bei dem der Ukraine Sicherheitsgarantien für die Achtung ihrer bestehenden Grenzen gemacht wurden, während Kiew sich im Gegenzug bereit erklärte, auf die sowjetisch-ukrainischen Nuklearwaffen zu verzichten (Signatarstaaten waren: USA, GB, Russland, Ukraine).
- Die Charta von Paris von 1990
- Die NATO-Russland-Grundakte von 1997 (deren Inhalt Putin bereits seit bald 30 Jahren bestreitet und verdreht!)
- Den Freundschaftsvertrag und den Flottenstationierungsvertrag mit der Ukraine von 1997 sowie
- Die Charta der Vereinigten Nationen.
Alle diese Rechtsbrüche wurden und werden von russischer Seite natürlich weiterhin bestritten.
Des Weiteren verweise ich auf die NATO-Russland-Grundakte von 1997:
Die Vorgeschichte:
Auch hier behauptet Putin (s.oben) stur, man hätte ihm versprochen, dass sich die NATO nicht nach Osten erweitern würde.
Er schiebt dabei immer wieder eine Äusserung des damaligen deutschen Aussenministers, Hans-Dietrich Genscher vor, der gesagt haben soll, dass die NATO sich nicht nach Osten erweitern würde. Dies war jedoch eine zwischenzeitlich belegte, unverbindliche Äusserung Genschers anlässlich der Zwei-plus Vier-Verhandlungen 1990 (BRD, DDR, USA, GB, Frankreich und die Sowjetunion), quasi eine Absichtserklärung, die jedoch nie in einem Vertragswerk zu finden ist. Kommt noch dazu, dass H.D.Genscher ja gar nicht für die NATO sprechen konnte noch durfte.
1997 also, unterzeichneten beide Seiten (NATO und Russland) alsdann die NATO-Russland-Grundakte.
Darin erkennt Russland an, dass es kein Vetorecht gegen die NATO-Mitgliedschaft anderer Länder hat. Spätestens damit macht Moskau den Weg frei für die Aufnahme weiterer osteuropäischer Staaten ins Natobündnis. Dazu folgende Aussage von Boris Jelzin 1997, damaliger russischer Präsident: »Es wird keine Atomwaffen in den neuen Mitgliedsländern geben. Es handelt sich um eine feste und verbindliche Zusage der Unterzeichnerstaaten.» Die NATO darf sich nach Osten erweitern, aber dort keine Atomwaffen stationieren. Daran hat sie sich bis heute auch gehalten.
Das sind die Fakten, Herr Ständerat Hegglin!
Und nun noch ein paar Gedanken zum Ukraine-Krieg, bzw. dem brutalen Überfall Putins mit seiner russischen Armee auf die Ukraine vom 24.Febr. 2022:
Zunächst: Machen Sie Herr Ständerat, bitte nicht das Opfer zum Täter !
Ich muss aufgrund Ihrer m.E. völlig ungerechtfertigten Vorwürfe und Unterstellungen an die Adresse von NATO und dem gesamten Westen annehmen, dass die TV-Bilder und Reportagen über die brutalen Bombardierungen von Schulhäusern, Spitälern, Verschleppung von Erwachsenen und Kindern nach Russland, das Vergewaltigen von Frauen und Mädchen durch die russische Soldateska, das seit mehr als zwei Jahre andauernde Beschiessen der Infrastrukturen in der gesamten Ukraine mit verheerenden Folgen für die Wirtschaft, das im Winter Frieren lassen von Hundertausenden Alten, Frauen und Kindern – als Kriegsverbrechen Putins von UNO und anderen Institutionen anerkannt – von Ihnen völlig ausgeblendet wird, ja sogar als gerechtfertigt und historisch unausweichlich und alles Morden billigend, in Ihrer Wahrnehmung offensichtlich keinen abscheulichen Eindruck hinterlassen hat, ansonsten hätten Sie nicht einen derartigen Unfug von sich gegeben.
Seit mehr als zwei Jahren prasselt auf die Ukraine täglich unsägliches Leid hernieder, verursacht von Putin, dem grössten Kriegsverbrecher Europas seit Adolf Hitler (1889-1945).
Absolut schäbig fügen Sie noch sich selbst entschuldigend an, Sie hätten nur zur Mässigung aufrufen wollen. Nein, Sie haben der NATO, den USA und dem gesamten Westen Mitschuld am Ukrainekrieg vorgeworfen und Putin das Wort geredet und Staaten, in denen Demokratie gelebt und praktiziert wird, verurteilt. So sieht’s aus, Herr Ständerat!
Ich komme nicht umhin, anzunehmen, dass Sie die Absichten Putins nicht kennen oder gar nicht kennen wollen, mindestens teilweise der russischen Propaganda erlegen sind , v.a. aber nicht den Mut und die Entschlossenheit zeigen, einem brutalen Diktator, der unsere freiheitlich-demokratisches System zerstören will, mit aller Kraft und adäquater Wortwahl entgegenzutreten.
Sie haben mit Ihren Worten im Ständerat unzweifelhaft verraten, wo Sie stehen. Die zum Teil harschen Reaktionen Ihrer Ratskollegen und Ratskolleginnen auf Ihre ungerechtfertigten Anschuldigungen gegenüber NATO und dem Westen zeigen mit aller Deutlichkeit, dass ich mit meinen obigen Ausführungen bestehen kann.
Sie können noch so lange anderer Überzeugung sein und die Ursache des seit 24. Februar 2022 tobenden Ukraine-Krieges beim Westen suchen; nichts, aber auch wirklich gar nichts rechtfertigt einen derartigen brutalen Vernichtungskrieg, den Putin gegen die souveräne Ukraine führt. Und nehmen Sie abschliessend zur Kenntnis, das Russland die Ukraine brutal überfallen hat und nicht umgekehrt!
Ich bin bitter enttäuscht, dass Sie als Ständerat in Ihrer Bewertung einem brutalen Diktator, der sein Volk seit Jahren anlügt, niederknüppelt und bei Widerstand für Jahre in seine Gefängnisse steckt, noch mit Verständnis begegnen, den freien Westen jedoch mit Vorwürfen eindecken! Das ist für mich nicht nachvollziehbar, und ich muss mich allen Ernstes fragen, auf welche Werteordnung Sie eigentlich Ihren Amtseid geschworen haben?
Ich grüsse Sie mit der Ihnen zustehenden Achtung
MD Ernst Lampert
Major und Inspektor der Militärmusik a.D. Schuldirektor Lachen a.D.
Sekundarlehrer a.D. 8853 Lachen/SZ