Bevor am Dienstag um 10:45 in Bern die F-35-Initiative eingereicht wird, ziehen die Gegner des Flugzeugs alle Register. Via SRF machen sie Stimmung gegen den Kampfjet. Als Kronzeuge präsentieren sie amerikanische Anwälte, ohne deren Interessen offenzulegen (Lesen Sie hier unseren Bericht).
Jetzt zeigen Recherchen, wie SRF von Lobbyisten, die für die unterlegenen Anbieter Dassault und Airbus Stimmung machen, eingesetzt wurde.
Was wichtig ist:
- Dem «Nebelspalter» liegen Berichte und Mails von Lobbyisten von unterlegenen Kampfjet-Anbieter vor, die gegen den F-35 Stimmung machen.
- Diverse Berichterstattungen des SRF weisen deutliche Überschneidungen mit den Argumenten der Lobbyisten auf.
- Das SRF hat dies nicht deklariert.
- Leutschenbach bestreitet mit den Lobbyisten zusammengearbeitet zu haben.
Airbus beispielsweise, Hersteller des Eurofighters, hat im vergangenen Sommer sein «Faktenblatt» «Warum die Entscheidung der Armasuisse (Bundesamt für Rüstung, Anm. d. Red.) zum Kampfjet überprüft werden sollte» an Journalisten und Politiker verteilt. Der deutsche Airbus-Lobbyist Andreas Hauck hat jedoch vergessen, seinen Namen im Dokument zu löschen. Das Lobbypapier, das dem «Nebelspalter» vorliegt, wurde am 9. August 2021 erstellt.
Ein Mail mit ähnlichem Inhalt ging auch von Lobbyist Fredy Müller aus Zürich an Politik und Presse. Er bietet darin zusätzlich die Kontaktvermittlung an Kampfjet-Experten aus Frankreich und Deutschland an. Diese «Inputs» reichten beim SRF gleich für mehrere Artikel.
Auffällige Überschneidungen bei Wartungskosten
Das führte zu auffälligen Überschneidungen in der Berichterstattung. Das SRF titelt zum Beispiel im Juli 2021: «F-35: Tiefe Betriebskosten sind nur für 10 Jahre garantiert.»
Diese Zeilen erinnern an die von Lobbyist Andreas Hauck: «Laut Aussagen Armasuisse sind Aussagen für mehr als 10 Jahre nicht realistisch – auf welcher Basis kann die Armasuisse dann verlässlich die Lebenszykluskosten auf 30 Jahre berechnen?»
Zudem seien die Preisgarantien für den Kampfjet wegen erhöhten Wartungskosten nicht gesichert. «Negative Erfahrung anderer F-35A Kunden, z.B. Polen, Dänemark und Belgien zeigen dies», schreibt Airbus.
Und das SRF schreibt: «Vor allem aus Dänemark gibt es Berichte, dass die Betriebs- und Wartungskosten viel höher seien als erwartet.»
Die gleichen «Verzerreffekte»
Airbus schreibt im Faktenblatt weiter: «Warum wird extra für das grösste Beschaffungsvorhaben des VBS erstmals eine Bewertungsmethode angewendet, die unter Experten umstritten ist, die relevante Aspekte der Angebote bewusst ausblendet und zuvor noch nie in der Schweiz verwendet wurde?» Es geht hier um ein Bewertungskriterium, genannt AHP-Methode, das gemäss Airbus zu «Verzerreffekten» führen würde.
Das SRF berichtet: «Juristisch ‘heikle’ Bewertungsmethode beim Kampfjet-Kauf. Die Beschaffungsbehörde Armasuisse hat bei der Kampfjet-Evaluation erstmals eine neue Methode eingesetzt, die im Schweizer Beschaffungswesen unbekannt ist. Spezialisten warnen vor einem Verzerreffekt.»
Lobbyist Fredy Müller verweist in seiner Mail, in der die beim Evalutionsverfahren verwendete Bewertungsmethode kritisiert wird, sogar noch auf SRF-Journalist Tobias Gasser und dessen Beiträge in seinem Sinn. Müller kontaktierte Journalisten teilweise zusätzlich direkt.
Screenshot aus einer Mail, die dem Nebelspalter vorliegt.
Beim Leak dieser Bewertungsmethode an die Öffentlichkeit handelt es sich zudem um einen Vertragsbruch mit dem VBS. Der hier unterlegene Anbieter Airbus hat gegen die vereinbarte Vertraulichkeitsvereinbarung bei der Evaluation verstossen.
Triebwerke und Reparaturzeiten
Doch damit nicht genug: Airbus zitiert in seinem Faktenblatt den amerikanischen Rechnungshof und dessen Mängel bezüglich den F-35-Triebwerken. Das SRF schreibt: «Selbst die US-Rechnungsprüfer üben Kritik am F-35.» Auch in diesem Artikel geht es um die Triebwerke: «Störungsanfällige Triebwerke», heisst es dort.
Airbus schreibt: «Dies erfordert ungeplante Triebwerkwechsel und Reparaturen, die länger dauern als geplant (über 6 Monate).»
SRF schreibt: «Denn wenn am Triebwerk etwas kaputtgehe, gehe jeweils richtig viel kaputt. Das habe lange Reparaturzeiten zur Folge.»
Und weiter gehts – Airbus: «Das Triebwerk der F-35A hat bekannte Designfehler mit gravierenden Auswirkungen auf die Verfügbarkeit der Triebwerke.»
Das SRF berichtet: «Ein Grund für die tiefe Verfügbarkeit liege beim Motor.»
Gleiche Quellen bei den Festpreisen
Zu guter Letzt: Gleich in mehreren Berichten bezweifelt das SRF, dass die USA der Schweiz eine Festpreisgarantie für den F-35 geben könne. Auch die eidgenössische Finanzkontrolle bezweifelt dies. Der Bundesrat und die USA hingegen widersprechen.
Das SRF schreibt: «Standardmässig ist nämlich in den US-amerikanischen Offerten und Verträgen (den sogenannten Letter of Offer and Acceptance) von Schätzungen die Rede. (…) Mit der Unterschrift unter die Offerte verpflichtet sich nämlich der einkaufende Staat, schlussendlich die gesamte Rechnung zu bezahlen. (…)»
Und Airbus hat dazu geschrieben: «Kostensteigerungen über den Schätzwert hinaus sind durch die Schweiz zu tragen.» Airbus verlinkt in seinem Lobby-Papier den exaktgleichen «Letter of Offer and Acceptance» auf den sich SRF beruft.
Kein Einzelfall
Möglicherweise sind all’ diese Überschneidungen zwischen der SRF-Berichterstattung und der Lobbyarbeit aus Frankreich und Deutschland nur ein Zufall. Zitiert werden die Lobbyisten nämlich nirgends in der Berichterstattung. Auffällig sind sie trotzdem.
Auch andere Medien machen mit. Auch beim Onlinemagazin «Republik» gab es in ihrer F-35-Kritik überraschende Gemeinsamkeiten mit den Aussagen der Lobbyisten (Lesen Sie hier unseren Bericht). Die Autorin ist Priscilla Imboden, die früher für SRF arbeitete.
Das SRF schreibt auf Anfrage, dass einige der genannten Artikel vor dem «Faktenblatt» von Airbus stammen würden: «Die Publikationsdaten der SRF-Beiträge zeigen, dass drei der fünf von Ihnen verlinkten SRF-Beiträge, die sich angeblich auf das Argumentarium stützen sollen, vor diesem Datum veröffentlicht wurden (2.7.21, 17.8.21, 31.8.21).»
Damit sei ausgeschlossen, dass SRF Zitate aus dem Argumentarium übernommen oder sich auf das Argumentarium gestützt habe. Tatsächlich trifft das nur auf einen Artikel zu. Denn das Papier von Airbus trägt zwar das Datum 15.09.2021 – verfasst wurde es jedoch am 9. August (siehe Box).
Gleiches Datum
Zu Bewertungsmethode schreibt Michael Bolliger, stellvertretender Chefredaktor Radio SRF: «Die AHP-Recherche fand im Sommer 2021 statt. Radio SRF ist auf dieses Thema gestossen, weil die Armasuisse selbst am Rande ihrer Kommunikation von der AHP-Methode sprach.» Zudem habe mit der Armasuisse am 9. August ein mehrstündiges Hintergrundgespräch dazu stattgefunden. Exakt an diesem Tag schrieb Airbus-Lobbyist Hauck sein «Faktenblatt».
Das SRF sagt jedoch, dass bis zur Publikation dieser Recherche kein Kontakt mit anderen Kampfjetherstellern bestand.
Zum Mail von Lobbyist Müller schreibt Bolliger: «Radio SRF ist dieses E-Mail an Parlamenterinnen und Parlamentariern, in welchem der SRF-Journalist zitiert wurde, nicht bekannt.»
Einige ausgewählte SRF-Artikel:
- Ist der F-35 wirklich der billigste Jet? (Link)
- Juristisch «heikle» Bewertungsmethode beim Kampfjet-Kauf (Link)
- F-35: Tiefe Betriebskosten sind nur für 10 Jahre garantiert (Link)
- F-35: Wenn der Festpreis zu einer Glaubensfrage wird (Link)
- Selbst die US-Rechnungsprüfer üben Kritik am F-35 (Link)
Lobbypapier-PDF
Anmerkung der Redaktion:
Das eine Lobby-Dokument ist natürlich nicht offiziell gekennzeichnet. Doch Lobbyist Hauck hat vergessen, in der PDF-Signatur seinen Namen zu löschen. Die aktuellste Version dieses konkreten Lobby-Papiers, das dem «Nebelspalter» vorliegt, ist vom Stand: 15.09.2021. Möglicherweise ist auch noch eine aktuellere Version im Umlauf.