Nebelspalter, Serkan Abrecht
Die schmutzige Kampfjet-Schlacht
Ein «dreckiges Geschäft» nennen es Angestellte im Verteidigungsdepartement (VBS). Gemeint ist der Kampfjet-Deal mit den USA. Eigentlich gäbe es beim teuersten Rüstungsgeschäft der jüngeren Schweizer Geschichte nicht mehr viel zu diskutieren. Die F-35 geht weg wie warme Semmel. Die Schweiz will sich nun bei den Nutzerstaaten einreihen.
Am Dienstag jedoch wird auf der Zielgeraden der Beschaffung von den Grünen und der SP die F-35-Initiative eingereicht, um womöglich den Jetkauf noch zu verhindern (Lesen Sie hier unseren Bericht). Im Hintergrund wird der Deal mit den USA weiter mit aller Härte bekämpft. Es sind unheilige Allianzen zwischen Politikern, Journalisten und den Rüstungskonzernen Dassault und Airbus Military, aber auch dem französischen Staat, die den Kampfjet-Kauf auf der Zielgeraden noch verhindern wollen.
Schweizer Gütesiegel
Doch weshalb betreiben Airbus und auch Dassault ein so vehementes Lobbying – selbst nachdem sich der Bundesrat bereits für den F-35 entschieden hat? In der Rüstungsbranche gilt die Schweiz aufgrund ihrer umfassenden und strengen Evaluationsprozesse als Massstab. Kauft die Schweiz etwas, ist es garantiert gut.
«Die Schweizer Entscheidung ist ein Gütesiegel. Denn wenn die Schweizer den Jet akzeptieren, dann ist der veredelt», sagte Georg Mader, Journalist von «Janes Defence Weekly», gegenüber SRF. Die beiden europäischen Hersteller könnten diese Werbung dringend gebrauchen.
Der ewige Verlierer
Der Eurofighter ist ein Projekt von Deutschland, Italien und Spanien und Grossbritannien. Das UK ist mittlerweile ausgestiegen. Auch Italien setzt neu auf die F-35. Der Eurofighter gilt bei den meisten Evaluationen als grosser Verlierer. Ausserhalb der Herstellerländer konnte Airbus vor fünf Jahren zuletzt einen Kaufvertrag abschliessen – mit Katar. Vor allem in Österreich sorgt der Eurofighter bis heute für Schlagzeilen.
Dort laufen wegen mutmasslichen Schmiergeldzahlungen von Airbus während des Beschaffungsprozesses mehrere Verfahren. Österreich verkündete den Ausstieg aus dem Eurofighter-Programm. Das weitere Betreiben des Eurofighters sei dem Steuerzahler «nicht mehr zumutbar», so die Regierung.
Den Amerikanern unterlegen
Ähnlich geht es den Franzosen. Die Rafale von Dassault will nicht durchstarten. Obwohl das Flugzeug bereits im Jahr 2000 in Dienst gestellt wurde, dauerte es 15 Jahre, bis ein Staat es auch kaufen wollte – Ägypten.
Inzwischen haben sieben Staaten den Jet gekauft. Jedoch hat Dassault mehr Ausschreibungen verloren als gewonnen – am meisten gegen den US-Hersteller Lockheed Martin. Grund war nicht unbedingt die Leistung des französischen Jets, sondern seine massiven Herstellungs- und Unterhaltskosten, die die Käufer abschrecken und den französischen Rechnungshof und das Verteidigungsministerium bis heute beschäftigen.
Wem nützt es?
Inzwischen ist klar, dass der französische Staat für seinen hauseigenen Kampfjethersteller massiven Druck auf die Schweiz ausübt. Seit Monaten sorgen vor allem Recherchen aus dem Hause Leutschenbach für Verwirrung und Entrüstung (Lesen Sier hier).
Offenbar hat Frankreich bis zum Schluss versucht, den Typen-Entscheid des Bundesrats zu beeinflussen. Weil Frankreich nicht mit der amerikanischen Industrie mithalten kann und beim entsprechendem Angebot von Gegengeschäften unterlag, versuchte die französische Regierung eine Woche vor dem Typen-Entscheid mit einem politischen Entgegenkommen den Kampfjet-Deal schmackhaft zu machen. Steuereinkommen von französischen Grenzgängern würden zu einem grösseren Anteil an Schweizer Kantone zurückgezahlt, wurde vorgeschlagen
Zudem sicherte Frankreich der Schweiz Unterstützung bei Europa-Fragen in Brüssel zu. Der Bundesrat lehnte ab. Das SRF ging deshalb der Frage nach: Wusste Amherd über das Gegengeschäft Bescheid? Die Frage ist bis heute nicht abschliessend beantwortet.
Die entscheidende Frage lautet aber: Wer hat alle diese Informationen herausgegeben – und warum? Alles deutet auf Personen in der Bundesverwaltung, aber auch aus Frankreich hin. Denn nicht nur Dassault hat Probleme, sondern Frankreichs Rüstungsindustrie im Allgemeinen. Kurz bevor im Herbst 2021 die ersten Berichte zu den Angeboten aus Frankreich an die Schweiz in der Presse erschienen, platzte dem Nachbarland ein anderer grosser Rüstungsdeal.
Australien kündete die Vereinbarung für zwölf französische U-Boote auf und entschied sich für eine Zusammenarbeit mit den USA und Grossbritannien. Weil Frankreich deshalb ein Deal in der Höhe von acht Milliarden Euro durch die Lappen ging, beorderte Präsident Macron persönlich seinen Botschafter aus Washington zurück. Kurz darauf wurden die Details zur Offerte Frankreichs publik.
Ein geplantes Treffen mit Guy Parmelin wurde von Macron abgesagt. Zudemhat Frankreich die Erarbeitung eines Staatsvertrags zum binationalen Euroairport Mulhouse-Basel vorerst auf Eis gelegt. Paris ist sauer.
Bis zum bitteren Ende
Offiziell hat das Lobbying aufgehört. Die Büros sind geschlossen, die Verträge beendet. Ex-Botschafter Thomas Borer vertrat mit seiner Firma Dr. Borer Consulting Boeing und dessen F/A-18 Super Hornet. Chefkommunikator bei Dassault für die Schweiz war der ehemalige Ruag-Mitarbeiter Pirmin Berger. Für Airbus waren drei Agenturen am Werk: Richterich & Partner, Cabinet Privé de Conseils und Swisscontent. Für Lockheed war es die PR-Agentur Weber Shandwick.
Im Hintergrund agierenaber ein paar Akteure weiter. Dassault und Airbus lobbyieren nicht mehr, sondern veranstalten eine Schlammschlacht. Und ein Schweizer Lobbyist scheint Airbus und Dassault gleichzeitig zu vertreten: Fredy Müller mit seiner Firma Mueller Consulting & Partner.
«Wir sind erstaunt, dass der Entscheid des Bundesrates von Anbietern nicht akzeptiert wird, sowie Gegen-Argumentarien publiziert oder versteckte Lobbying-Arbeit gegen den Entscheid geleistet werden.» Lorenz Frischknecht, VBS-Sorecher
Dem «Nebelspalter» liegt ein Mail vor, das er an ausgewählte Parlamentarier und Journalisten versandte. Er erhebt darin ähnliche Vorwürfe wie bereits Airbusund mache den Politikern das Angebot, sie mit deutschen oder französischen «Kampfjet-Experten» ins Gespräch zu bringen.
Und dann ist da noch der ehemalige SP-Sekretär Peter Hug. Im Hintergrund schreibt er Konzepte und Argumentarien für die Kampfjet-Gegner und gibt Journalisten Tipps. Im Vordergrund tritt er dann als «SP-Sicherheitsexperte» in Interviews auf. Beispielsweise in einem Rundschau-Beitrag vom Februar, wo die Journalistinnen ein Szenario aufzeigten, in dem die Schweiz mit dem F-35 Prag bombardieren würde. Die beiden SRF-Journalistinnen wurden anschliessend wegen des Verstosses gegen die Sachgerechtigkeit von der eigenen Ombudsstelle gerügt.
Mittlerweile hat SP-Nationalrat Pierre-Alain Fridez (JU) ein Buch zum F-35 geschrieben. 339-Seiten ist es lang und listet vor allem die vergangenen Presseartikel auf, die den Kampfjet schlecht schrieben. Von einem «staatspolitischen Skandal», schreibt Fridez. Das Vorwort hat alt Bundesrätin Micheline Calmy-Rey geliefert. Ebenfalls am Buch beteiligt ist Peter Hug. Noch einmal mobilisieren die Linken all ihre Kräfte.
VBS in der Defensive
Bei der ganzen Schlammschlacht kommt ein wichtiger Mitspieler kaum zu Wort: Viola Amherds VBS. Auf Anfrage von «Nebelspalter» wird dort betont, dass diese Aktionen der unterlegenen Anbieter gesetzeswidrig seien: «Wir haben mit allen Kandidaten Vertraulichkeitsvereinbarungen unterzeichnet, in denen sich die jeweiligen Parteien zum Beispiel gegenseitig zugesichert haben, keine Informationen an Dritte weiterzugeben. Dazu gehören zum Beispiel Offertanfragen und Offerten, deren Inhalte sowie dazugehörige Dokumente», schreibt die armasuisse auf Anfrage.
Bei Airbus ist klar belegbar, dass er gegen diese Vertraulichkeitsvereinbarung verstossen hat. Doch Konsequenzen gibt es keine, da die Schweiz womöglich in der Zukunft mit den Herstellerländern weiter handeln möchte. Um einen Kommentar gebeten, schreibt armasuisse: «Das VBS wird in aktuellen und auch in zukünftigen Projekten mit einer Vielzahl von Anbietern und Herstellerländern zusammenarbeiten, weshalb es hierzu keines weiteren Kommentars bedarf.»
Eine kleine Rüge gibts dann aber schon: «Wir sind erstaunt, dass der Entscheid des Bundesrates von Anbietern nicht akzeptiert wird, sowie Gegen-Argumentarien publiziert oder versteckte Lobbying-Arbeit gegen den Entscheid geleistet werden. Wir erachten die Vorgehensweise als sehr problematisch und für die künftige Zusammenarbeit und das Image der Hersteller in der Schweiz nicht förderlich», schreibt VBS-Sprecher Lorenz Frischknecht auf Anfrage.
Auch wenn der Kampfjet-Deal in der Herbstsession definitiv unter Dach und Fach gebracht wird, ist von den Gegnern viel Geschirr zerschlagen worden. Die Schweiz wird sich überlegen müssen, ob man Länder wie Frankreich oder Deutschland bei künftigen Grossprojekten überhaupt noch an den Verhandlungstisch einlädt.