Nebelspalter, 9. März 2022 / Martin Breitenstein
Die Stop-F-35-Initiative gegen den neuen Kampfjet ist ungültig
Die Bundesversammlung erklärt eine Volksinitiative für ungültig, wenn sie nicht durchführbar ist. An dieser Schranke kann das Parlament die Stop-F-35-Initiative stoppen.
Martin Breitenstein, 9. März 2022, 11:00
Die Chefin des Eidgenössischen Militärdepartements, Viola Amherd, hat die Initianten der Stop-F-35-Kampagne gegen das neue Kampfflugzeug eingeladen, ihrerseits dieses Volksbegehren zu stoppen. Sie tat dies logischerweise nach dem widerrechtlichen militärischen Angriff von Putin auf die Ukraine und verwies auf die – offenbar zuvor unvorstellbar – veränderte geopolitische Lage, die Manchen bereits als grosse Zeitenwende erscheinen will. Etwas pragmatischer geht es darum, dass die Schweiz bei der Beschaffung der neuen Kampfflugzeuge nicht zu viel Zeit verliert und bei der Auslieferung der Bestellung nicht hinter Finnland und Deutschland anstehen muss, die auch am amerikanischen Kampfjet F-35 interessiert sind.
Keinerlei Vorwirkung
Freilich ist Amherds Appell etwas zu viel der Ehre für die notorischen Armeegegner, die mit ihrer Initiative vordergründig auf die Typenwahl, de facto aber auf die Beschaffung neuer Kampfflugzeuge überhaupt zielen. Der Initiativtrupp hat noch nicht einmal ausreichend Unterschriften gesammelt, das Zustandekommen der Volksinitiative ist ungewiss. Bevor Volk und Stände über eine Initiative abgestimmt und ihr eventuell zugestimmt haben, vermag sie keinerlei rechtliche Vorwirkungen zu entwickeln, schon gar nicht im Stadium der Unterschriftensammlung. Regierung und Parlament können also handeln, wie wenn keiner jemals auf die Idee einer solchen Initiative gekommen wäre.
Kein Rechtsmittel
Sie können sich dabei auf die höchste Legitimation abstützen, die in einer direkten Demokratie möglich ist: Im Referendum vom 27. September 2020 hat das Volk gebilligt, dass für die Beschaffung neuer Kampfflugzeuge bis zu sechs Milliarden Franken ausgegeben werden dürfen. Nach einer ausgiebigen Evaluation hat der Bundesrat schliesslich dem amerikanischen F-35 den Vorzug gegeben («höchster Gesamtnutzen und tiefste Kosten»). Gegen die Typenwahl gibt es kein Rechtsmittel. Ein Gutachten des Bundesamtes für Justiz sagt ausdrücklich: «Ein ordentliches Rechtsmittel gegen den Zuschlagsentscheid des Bundesrates gibt es nicht. Das ändert aber nichts daran, dass der Bundesrat an das Recht und an die von ihm bestimmten Zuschlagskriterien gebunden ist». Nur weil mit einer Initiative herumgefuchtelt wird, die diese Ordnung umstossen will, muss und darf der Bundesrat nicht einfach mit der beschlossenen Beschaffung zuwarten.
Zeitlich und materiell nicht durchführbar
So gibt es auch keinen Grund, dass das Parlament irgendwelche Abstriche an der sogenannten Armeebotschaft vornimmt und plötzlich Mittel nicht freigeben würde. Bei zügiger parlamentarischer Behandlung der Rüstungskredite erleidet die Stop-F-35-Initiative gar an der Gültigkeitsschranke Schiffbruch. Denn: Volksinitiativen sind ungültig, wenn sie undurchführbar sind. Wenn die Initiative ihre Rechtskraft erst entfalten würde, wenn das Rüstungsgeschäft bereits angelaufen ist, wäre sie zu spät und zeitlich nicht durchführbar. Ohne vertragsbrüchig zu werden, könnte die Schweiz des F-35-Geschäft nicht einfach rückabwickeln. So kam auch das Bundesamtes für Justiz zum Schluss: «Die Bewerber gehen zu Recht davon aus, dass der Bundesrat in Anwendung der definierten Zuschlagskriterien entscheiden und davon nicht abweichen wird. … Wird dieses Vertrauen enttäuscht, liegt darin eine Verletzung des Grundrechts von Treu und Glauben». Zudem wäre die Initiative materiell nicht durchführbar, da sie derart massive Verzögerungen bei der Kampfjet-Beschaffung verursachen würde, dass die Schweiz ohne modernisierte und einsatzfähige Luftwaffe militärisch entblösst wäre.
Wie bei der Chevalier-Initiative
Gestützt auf ähnliche Überlegungen hatte das Parlament übrigens 1955 die sogenannte Chevalier-Initiative «Vorübergehende Herabsetzung der militärischen Ausgaben (Rüstungspause)» ungültig erklärt, mit der Begründung, sie sei weder zeitlich noch materiell durchführbar.