BRIEF AN DIE MITGLIEDER DES BUNDESRATES SOWIE NATIONAL- UND STÄNDERÄTE
Sehr geehrte Damen, sehr geehrte Herren
Gemäss «NZZ am Sonntag» «teilte Gaillards Expertenkommission der Armee Ende Juni mit, dass sie ein weniger steiles Wachstum des Verteidigungsbudgets ins Auge fasse: Statt 6,14 Prozent soll dieses nur noch 4,25 Prozent betragen. Was nach Zahlenklauberei tönt, würde richtig einschenken. Der Bund könnte so mehrere hundert Millionen Franken pro Jahr sparen. Aber für die Armee hätte es gravierende Folgen: Sie wäre erst deutlich später wieder voll ausgerüstet. Insbesondere bei den Bodentruppen dürften so für längere Zeit Lücken bleiben.»
Konkret würde das bedeuten, dass unsere Armee und hier insbesondere das Heer frühestens in den Jahren ab 2040 (!) eine erste Verteidigungsbereitschaft erreichen würde, was im Lichte der aktuellen geo- und sicherheitspolitischen Lage als völlig ungenügend bezeichnet werden muss. In diesem Zusammenhang ist einmal mehr darauf hinzuweisen, dass es vom Moment des Beschaffungsentscheides bis hin zum Erreichen einer ersten operationellen Einsatzbereitschaft – abhängend von der Komplexität des zu beschaffenden Waffensystems – in der Regel 10 -15 Jahre dauert! Allein schon diese Zeitspanne belegt eindrücklich, dass die von der Expertengruppe zur Bereinigung des Bundeshaushalts unter der Leitung von Serge Gaillard vorgeschlagene weitere Erstreckung der dringlichen Erhöhung unserer Verteidigungsausgaben in einem sicherheitspolitischen Desaster mit potenziell verheerenden Folgen für unser Land und seine Bevölkerung resultieren wird.
Auch der Schlussfolgerung, «dass das Land auf absehbare Zeit nicht von einem Angriff auf Schweizer Boden bedroht sei», muss in dieser Form und Absolutheit widersprochen werden. Denn die dafür notwendigen Potenziale sind vorhanden bzw. werden zurzeit wieder auf- und ausgebaut. Ein moderner Multidomain-Konflikt ist raumgreifend und findet gleichzeitig im Verbund am Boden, zur See, in der Luft, im All, dem Cyberspace, dem elektromagnetischen sowie im Informations-Raum statt. D.h. primär in Operationssphären, die keine Landesgrenzen kennen!
In der seinerzeitigen WEA-Vorlage hat man der Schweizer Bevölkerung eine Vollausrüstung seiner Armee versprochen. Diese ist bis heute bei Weitem noch nicht umgesetzt. Von den 17 Infanterie Bataillonen können derzeit lediglich 6 als vollausgerüstet bezeichnet werden, um nur eines von mehreren möglichen negativen Beispielen zu nennen. Die dafür benötigten Budgetmittel fanden anderweitig und ausserhalb des VBS Verwendung. Bundesrat und Parlament haben uns in dieser Angelegenheit schlichtweg angelogen.
Ich bitte Sie dafür besorgt zu sein, dass wir das im Zusammenhang mit der Mittelallokation VBS im Rahmen der Budget- und Planungsdebatte in der uns bevorstehenden Wintersession nicht noch einmal erleben müssen.
Es wäre das definitive Ende der in unserer Verfassung fest verankerten und geforderten Landesverteidigung.
Ich bin als Staatsbürger und Offizier tief besorgt!
Konrad Alder
MILITÄRPOLITISCHE NACHRICHTEN SCHWEIZ (MNS)