Neue Zürcher Zeitung, David Biner, 30.03.2022
SVP, Mitte und FDP fordern einhellig, dass Viola Amherd den Kampfjet bereits im Herbst kaufen soll. Weniger einig sind sich die Bürgerlichen bei der sicherheitspolitischen Ausrichtung.
Angekündigt hat es Ida Glanzmann-Hunkeler, Sicherheitspolitikerin und enge Vertraute von Verteidigungsministerin Viola Amherd. In der Sendung «Standpunkte» der «Sonntags-Zeitung» gab die Mitte-Nationalrätin bekannt, dass die bürgerlichen Parteien bei der Kampfjet-Beschaffung nun endlich Nägel mit Köpfen machen wollten. In der Sommersession werde der Ständerat einen Zusatz in der Armeebotschaft verbriefen, wonach Amherd den Kaufvertrag für die F-35-Kampfjets der amerikanischen Herstellerfirma Lockheed-Martin unterzeichnen muss, sobald das Parlament die Armeebotschaft fertig beraten hat. Dies sollte nach der Herbstsession der Fall sein. Als Präsident der Sicherheitskommission hatte SVP-Nationalrat Mauro Tuena diesen Zusatz bereits Anfang März gefordert.
«Initiative hin oder her»
Die bereinigten Verträge mit der US-Regierung liegen bereits auf dem Schreibtisch der Verteidigungsministerin. Für die 36 neuen Kampfflugzeuge rechnet das Verteidigungsdepartement (VBS) mit einem Verpflichtungskredit von 6,035 Milliarden Franken (Stand: November 2021), dem die Schweizer Stimmbevölkerung schon ein Jahr zuvor zugestimmt hatte. Unberechenbar bleibt aus Sicht des VBS die laufende Unterschriftensammlung für die Initiative «Stop-F-35». SP, Grüne und die Gruppe für eine Schweiz ohne Armee (GSoA) wollen den vom Bundesrat gewählten Flugzeugtyp verhindern. Vom Krieg in der Ukraine und der damit verbundenen sicherheitspolitischen Sensibilisierung im Parlament und in der Bevölkerung lassen sie sich nicht beirren.
Gemäss einer Online-Umfrage von Tamedia unterstützt einen Monat nach Kriegsbeginn allerdings nur jeder zweite potenzielle SP-Wähler die Initiative. Auch bei den Sympathisanten und Wählern der Grünen stösst die Vorlage gegen den F-35 auf wenig Begeisterung. Laut Umfrage stehen lediglich 56 Prozent hinter der geplanten Initiative. Bundesrätin Viola Amherd legte den Initianten deshalb ans Herz, sich einen Rückzug der Initiative zu überlegen. Diese denken allerdings nicht daran. «Die Beschaffung neuer Kampfflugzeuge ist keine Antwort auf den Krieg in der Ukraine», teilte die GSoA Anfang März mit.
Auch die SP sieht sich in ihrem bisherigen Argumentarium bestätigt. Der Krieg in der Ukraine zeige, wie gering der Einfluss von Kampfjets auf das Kriegsgeschehen sei. Zudem spielten etwa Drohnen eine immer wichtigere Rolle, sagte SP-Nationalrätin Franziska Roth in der Sendung «Standpunkte». Der Krieg ändere nichts an der Haltung der SP, wonach der F-35 das falsche Flugzeug sei für die Schweiz. Eine Initiative sei zudem ein legitimes politisches Recht, dies auch zum Ausdruck zu bringen.
Nun gehen die Bürgerlichen in die Offensive – «Initiative hin oder her», wie Glanzmann sagt. Sie ortet bei den Initianten eine Verzögerungstaktik. Wenn das Volksbegehren zustande kommt, wird es wohl frühestens 2024 an die Urne kommen. «Mit dem entsprechenden Zusatz in der Armeebotschaft wird die Verteidigungsministerin vom Parlament beauftragt, die Verträge direkt nach der Behandlung der Armeebotschaft zu unterzeichnen», sagt Glanzmann-Hunkeler im Gespräch. Die Zeit dränge, zumal die Offerten von Lockheed-Martin nur bis Anfang März 2023 gälten. Im VBS erwartet man die ersten Lieferungen für das Jahr 2027, sofern alles nach Plan läuft.
Auch Thierry Burkart will deshalb vorwärtsmachen. Was die Armeegegner mit der Initiative bezweckten, sei rechtlich zwar möglich, staatspolitisch aber mehr als fragwürdig. Der FDP-Präsident spricht angesichts der Tatsache, dass das Volk bereits abgestimmt hat, von einer «Zweckentfremdung» der direktdemokratischen Mittel. «Eine Initiative, die noch nicht einmal steht und über die somit auch nicht abgestimmt worden ist, kann keine Vorwirkung entfalten.» Angesichts der weltweiten Aufrüstung und der damit allfällig verbundenen Produktionsengpässe «wäre die nicht fristgerechte Unterzeichnung der Offerte» verheerend für die Schweiz, mahnte die FDP bereits Anfang März.
SVP will keine Bündnisannäherung
SVP-Ständerat Werner Salzmann sagt, dass Amherd die Verträge natürlich auch ohne «Ermächtigung des Parlaments» unterschreiben könnte. Gegen Nachdruck aus der ständerätlichen Sicherheitskommission (SiK) hat Salzmann, der die Kommission präsidiert, aber natürlich nichts einzuwenden. Ein entsprechender Vorstoss sei eingereicht worden, bestätigt Salzmann. Er werde im Rahmen der SiK-Sitzungen vom Donnerstag und Freitag diskutiert.
Der bürgerliche Schulterschluss in der Sicherheitspolitik dürfte sich allerdings schon bald wieder lockern. SVP, Mitte und FDP machen sich zwar gemeinsam stark für die rasche Beschaffung des F-35. Wie dieser im internationalen Verbund eingesetzt werden soll, darüber gehen die Meinungen allerdings auseinander. Während den Präsidenten von Mitte und FDP eine engere Zusammenarbeit mit der Nato oder der EU vorschwebt, hält die SVP nichts von einer Bündnisannäherung. Sie hält die heutige Zusammenarbeit im Rahmen des Programms Partnerschaft für den Frieden (PfP) für genügend. Was sich heute schon zeigt: Die Debatte über die Schweizer Neutralitätspolitik ist auch eine Debatte über die Zukunft der Schweizer Sicherheitspolitik.