Verteidigungsausgaben 1% BIP bis 2035 – ein sicherheitspolitisch verantwortungsloser Entscheid

Nach einem äusserst knappen Abstimmungsergebnis mit Stichentscheid des Präsidenten im Differenzbereinigungsverfahren im Nationalrat1) zugunsten des bundesrätlichen Antrages 1% BIP bis 2035 hat sich die Einigungskonferenz am 20.12.2023 abschliessend für eine Erstreckung der Erhöhung unserer Verteidigungsausgaben von 1% BIP 2030 auf schliesslich 2035 entschieden. Dieser fatale Beschluss entzieht unserer Landesverteidigung CHF 10 Mrd. und muss wegen des gegenwärtigen, völlig unzureichenden Ausrüstungsstandes unserer Armee sowie der aktuellen Bedrohungslage «Osteuropa/Naher Osten/Pazifischer Raum» mit einem beträchtlichen Flächenbrandpotential als desaströs für die Sicherheit unseres Landes bezeichnet werden. Bundesrat und Parlament sind in Anbetracht von sich abzeichnenden hohen Budgetdefiziten offensichtlich nicht fähig und willens, die Zeichen der Zeit zu erkennen. Das hat die folgenschwere Konsequenz, dass eine reine «Buchhalter»-Optik über ein in der Sicherheitspolitik zwingend erforderliches längerfristiges und gesamtheitliches Denken und Handeln dominiert. Unberücksichtigt bleibt auch die Realität, dass die Beschaffung von Rüstungsgütern und das Erreichen einer ersten Einsatzbereitschaft bei der Truppe in unserem Land mit seinem Milizsystem in der Regel rund 10-15 Jahre in Anspruch nimmt.
Der Entscheid der Einigungskonferenz wird im Übrigen für das «ungebundene» VBS-Budget zur Folge haben, dass wir 1% BIP-Verteidigungsausgaben selbst im Jahre 2035 nicht erreichen werden und dass das Wiedererlangen der vom Chef der Armee angestrebten Verteidigungsfähigkeit als chancenlos bezeichnet werden muss. Denn der «ungebundene» VBS-Haushalt wird für Bundesrat und Parlament immer der Hort für Einsparungen zugunsten anderer «wichtigerer» Departemente sein und bleiben!
All das könnte dereinst ein böses Erwachen zur Folge haben. Mein Vertrauen in eine solche, nicht zuletzt auch den Auftrag im 2. Abschnitt «Sicherheit» unserer Verfassung missachtende Verteidigungspolitik ist deshalb dahin. Unsere Landesverteidigung als einziges strategisches Instrument unserer Regierung in Krisen- und Kriegssituationen wird damit nach und nach abgeschafft und es stellt sich die Frage, was es denn noch braucht damit auch für unsere Armee ein «ausserordentlicher Haushalt» oder gar ein «Rettungsschirm» gesprochen wird bzw. werden muss!

1) 98 zu 97 bei einer Enthaltung sowie einer entschuldigten Abwesenheit und 3 nicht Teilnehmenden, d.h. diese Abstimmung wäre – wenn auch äusserst knapp – zu gewinnen gewesen(!)

Konrad Alder, Uerikon